Dienstag, 2. Dezember 2014

Nach der Arbeit - eine Rezension

Songbeleuchtung: rotes Licht. Der Sarg wird illuminiert. An einer Stange kommen von oben Schriftbänder herunter und auf den Tafeln steht: Arbeits Pause.

Hurra, die Arbeit ist tot! Dieses ganz und gar dem Epischen Theater huldigende Stück der Agentur für Anerkennung, inszeniert von Reto Kamberger, konfrontiert uns mit vielen offenen Fragen, die sich nach dem Tod der "Kaiserin Arbeit" stellen: Was leisten wir für die Arbeit? Oder leistet die Arbeit etwas für uns? Brauchen wir sie noch? Oder sollten wir sie am besten einfach abschaffen?
Ausgehend vom Tod der Arbeit erzählen die vier Typen der tüchtigen Anerkennung, der souveränen Selbstverwirklichung, der sozialromantischen Solidarität und der unberechenbaren Sabotage ihre jeweiligen (Pseudo-)Erwerbsbiographien. Und begeben sich auf die Suche nach einem neuen Umgang mit der Arbeit. Dabei werden theoretisierende Teile durch bekannte (Arbeits-)Kampflieder oder durch Arbeits Pausen in neuem Licht unterbrochen. Monologe vor dem Publikum wechseln mit szenischem Bühnengeschehen ab. Diese Mischung ist handwerklich solide gemacht und funktioniert insofern, daß sie die Aufmerksamkeit des Publikums im ausverkauften Saal auf sich gerichtet halten kann.

Völlig ohne Erwähnung blieb in dem Stück eine ganz andere, mindestens ebenso spannende Form der Überwindung der Arbeit im Kapitalismus. So fehlt gegenüber den vier Typen der Arbeit ein Antagonist: der Privatier. Also jemand, der von den Zinsen seines Vermögens lebt und es (dank des Kapitalismus) gar nicht nötig hat, zu arbeiten. Zwar sind das selten Einzelpersonen, aber hinter
Porsche und Milupa steckt ja mehr oder weniger Familie Quandt aus MeckPomm, so wie hinter dem Bertelsmann Konzern Familie Mohn schaltet und kassiert. Auch der Adel darf in dieser feinen Gesellschaft nicht fehlen: Die Fürsten zu Thurn und Taxis lebten lange Zeit auf großem Fuß, indem sie mit ihrem gigantischen Grundbesitz einfach gar nichts taten, und statt Korn die Stillegungsprämien für Agrarflächen einfuhren. Vor dem Hintergrund dieser "Einkommensmillionäre auf Zinsbasis" (Mulda, 1999) erscheint die diskutierte Höhe des Bedingungslosen Grundeinkommens um das Hartz-IV Niveau herum als "Peanuts" (Kopper, 1994).

Insgesamt ist das Stück als Agitprop zu stumpf und als Kunstwerk zu karg. Inhaltlich bedient es sich pausenlos verschiedenster Versatzstücke auf nicht-akademischen Niveau ohne die Debatte um etwas Neues zu bereichern. Hier hätte man dem Bildungsbürgertum in den Zuschauerreihen mehr abverlangen können. Den Schauspielern wird es nicht gerecht, da diese nur an einzelnen Stellen ihre Fertigkeiten präsentieren können, aber kaum Raum zum Glänzen vorfinden.
Als Gesprächsanstoß für den weiteren Abend ist das Stück jedoch allemal geeignet...

Wogs